Schürfrinne (noch nicht hohl / hohl)

Biomechanik
Schürfrinnen ohne Holzzersetzung bedeuten bei einer begrenzten Größe in der Regel kurzfristig zumeist keine erheblichen biomechanischen Auswirkungen für das Baumindividuum.
Gelingt keine erfolgreiche Abschottung können betroffenen Bäume im Laufe der Jahrzehnte bei voller Belaubung oft kaminartig hohl werden. Ein Bruch erfolgt vielfach erst nach Jahrzehnten, wenn das physikalisch-mechanische Gleichgewicht zwischen Restwandstärke und Kronenhebel überschritten wird. Bei manchen Gehölzarten (oft Eichen) bzw. bei bestimmten Baumindividuen (z.B. mit niedrigen Höhe/Durchmesser Verhältnissen) versagt der Kompromiss zwischen Last und Tragkonstruktion teilweise erst nach Zeiträumen von über 100 Jahren.

Gefahrenpotential
Im Einzelfall sind die Folgen der Schürfrinnen zu beachten, insbesondere wenn die entrindeten Bereiche größere Teile des Umfanges betreffen. Dann kann z.B. infolge gekappter Assimilatströme oder entstehender Holzfäule oder durch die „Unterbrechung“ von möglicherweise hoch belasteten „Kraftlinien“ auf der Baumoberfläche eine Beeinträchtigung der Versagenssicherheit entstehen.
Falls dem betroffenem Baum mit oder ohne Überwallung (Verschluss der Schadstelle mit Kallusgewebe) eine Abschottung der Schadstelle nach innen nicht gelingt, können sich Prozesse bis hin zu ausgedehnter Holzzersetzung anschließen.

Ökologie
Große Schürfrinnen zählen zu den wichtigsten Ausgangspunkten für die Bildung von Großhöhlen. Daher und wegen der ausgeprägten Sukzession im Rahmen des Prozesses der Holzzersetzung sind sie für die baumtypische Artenvielfalt von zentraler Bedeutung. Der individuelle Variantenreichtum in Bezug auf die Größe der Eingänge, bezüglich Intensität und Umfang der Überwallungen, in Bezug auf die Eindringtiefe der Verpilzung sowie hinsichtlich der jeweils vorhandenen Pilz- und Insektenarten ist enorm. Daher verdienen alle Bäume mit Schürfrinnen einen besonderen Erhaltungsaufwand!

Im Vergleich zu den Blitzrinnen sind Schürfrinnen in der Regel kleinflächiger. Sekundäre und nicht selten massive Überwallungen reduzieren den offenen Bereich oft relativ stark. Zum Teil erfolgt oberflächlich sogar ein annähernd vollständiger Verschluss des ursprünglichen Borken- und Splintschadens. So entstehen mit großer Regelmäßigkeit nach außen gut abgesicherte Großhöhlen. Dadurch wird der sich bildende Mulmkörper im Gegensatz zu den mehr oder weniger offenen Nischenkomplexen der meisten Blitzrinnen vor dem Herausrieseln bewahrt.

Die Ansiedlung holzzersetzender Pilze erfolgt nach dem Zufallsprinzip. An Schürfrinnen trifft man eine große Bandbreite verschiedener Lebendbaumbesiedler unter den Pilzen, wie z.B. den Schuppigen Porling, den Laubholz-Weichporling, den Goldfell-Schüppling, den Gewöhnlichen Austernseitling und als große Seltenheiten der Pilzflora den Nördlichen Stachelseitling.

In solchen Strukturen leben zahlreiche seltene und gefährdete Holzinsektenarten, wie z. B. die hier aufgeführten:

Diese Struktur hat v.a. auch Bedeutung für Fledermäuse - klicken Sie hier für weitere Informationen.

  • Hohle Schürfrinne. Zeichnung: W. Roloff
  • bereits hohle Schürfrinne - Übergang zur Großhöhle. © N. A. Klöhn
  • Nicht hohle Schürfrinne. Zeichnung: W. Roloff
  • Noch nicht völlig hohle Schürfrinne. © N. A. Klöhn