Was ist Biotopholz?
Tote und absterbende Bäume sind Bestandteil der natürlichen Walddynamik und bieten einen reichhaltigen Lebensraum für unzählige darauf spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Allerdings sind aktuell viele Wirtschaftswälder arm an solchen Strukturen, wenn auch die europäischen Biodiversitäts-Konvention und das Schutzsystem NATURA 2000 dazu beigetragen haben, dass der Erhalt alter Bäume und des Totholzes in forstliche Zielsetzungen Eingang gefunden haben. Um so bedeutsamer sind daher die zahlreichen Altbäume in der Stadt, in Parks, Gärten und an den Straßen, die wertvolle „Trittsteine“ in einem Biotopverbund, z. B. für die auf Biotopholz angewiesenen, extrem gefährdeten und wenig mobilen Holzkäfer sind.
Biotopholz, das sind lebende oder abgestorbene Holzbereiche, die durch Schwächung oder Holzabbau durch Pilze von anderen Organismengruppen, wie z. B. zahlreichen Insektenarten, Fledermäusen und höhlenbewohnenden Vögeln besiedelt werden können. Lebensstätten für diese Arten können schon kleine Bereiche sein, wie tote Äste, Starkäste mit Spechthöhlen, aber auch ganze Stämme die im Innern schon hohl sind.
Biotopholz ist also mehr als "nur" Totholz, es umfasst Holz in all seinen "Erhaltungsformen", als Lebensraum für viele Organismen, die auf die verschiedenen entstehenden Substrate spezialisiert sind. Biotopholz ist also sowohl der schöne Altbaum im Park mit Höhlen und Rissen als auch der pilzbefallene Obstbaum im Garten, ist sowohl liegengelassener Astschnitt als auch ein verpilzter und modriger Stubben usw.
Auslöser der Strukturentwicklung am lebenden Baum sind Eintrittspforten für Pilze. Die Ansiedlung von Pilzen in lebenden Bäumen wird z.B. durch Blitzschlag, Wind-, Schnee- und Eisbruch, Zwieselabrisse, Ausbrüche starker Äste oder Teilkronen, den Bruthöhlenbau des Schwarzspechtes, Trockenschäden, Absterben von Borkenpartien durch „Sonnenbrand“, die Fraßtätigkeit bestimmter Insekten oder mechanische Verletzungen der schützenden Borke durch umstürzende Nachbarbäume ausgelöst.
Besonders bedeutsam für den Artenschutz sind anbrüchige Bäume. Der Begriff „anbrüchig“ bezeichnet lebende Bäume, die schon Totholzstrukturen entwickelt haben. Dies sind einerseits Stämme mit weitgehend intakter Krone, die zum Beispiel verpilzende Blitzrinnen, großflächigere Borkenverletzungen, Ausbruchstellen von Ästen und Stämmlingen, Höhlungen, große Aststümpfe, Astlöcher oder austrocknende Kronenteile aufweisen. In solchen noch lebenden Bäumen werden die verpilzenden, verpilzten, schließlich vermorschten und vermulmten Stammbereiche konstandt mit Photosysntheseprodukten und Wasser versorgt. Anbrüchige Bäume sind die notwendige Vorstufe eines Alterungsprozesses, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Bildung von Großhöhlen führt. Und Großhöhlen zählen wegen ihres Artenreichtums und ihrer Gefährdung aus der Sicht des Naturschutzes zu den wichtigsten Schlüsselhabitaten der Biodiversität.
Biotopholz hat für den Menschen allerdings auch eine andere Seite, nämlich dann wenn ein Baum mit solchen Biotopholzstrukturen aus Sicht der Verkehrssicherheit gefährlich erscheint. Natürlich muss die Verkehrssicherheit gewährleistet sein, doch ist nicht jede Biotoholzstruktur zugleich auch eine Gefahr für den Parkbesucher. Auch bei nötigen Baumpflegearbeiten kommt es oft darauf an, wie und wann etwas getan wird, um die Folgen für den Lebensraum Biotopholz und seine bewohner so gering wie möglich zu halten. Obwohl viele Baum- und holzbewohnende Tierarten nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützt sind und auch ihre Lebensstätten nicht zerstört werden dürfen, werden sie bei Pflegearbeiten oft zuwenig berücksichtigt. Daher ist es wünschenswert, dass bei Baumkontrollen zur Verkehrssicherheit, z.B. nach der VTA-Methode, auch Artenschutz-Aspekte integriert werden.