Zwiesel und Zwieselabriss

Biomechanik
Druckzwiesel sind mechanisch eher ungünstige, spitzwinklig ausgeformte Verzweigungen von Stämmen, Stämmlingen und Starkästen mit eingeschlossener Rinde.
Die U-förmig ausgebildeten Zugzwiesel sind in der Regel ungefährlich, da sie keine Rindeneinschlüsse aufweisen und mechanisch für freiere windexponiertere Standorte optimiert sind. Die „Verschweißungszonen“ (umfassende Holzbereiche) erscheinen i.d.R. rippenartig bzw. wie „Ohren“ hervortretend. Je deutlicher diese ausgeprägt sind, desto größer ist tendenziell der Rindeneinschluss und/oder es gibt bereits einen Querriss. Kleine „Ohren“ deuten auf mehr umfassende Jahrringe, d.h. vergleichbar höhere Belastbarkeit hin. Gibt es gar keine umfassenden Jahrringe, wirkt der Rindeneinschluss wie ein Querriss (höchstes Risiko).
Bei Bäumen mit Druckzwieseln, insbesondere ausgedehnten Rindeneinschlüssen mit wenigen umfassenden Jahrringen, kann das Versagensrisiko deutlich erhöht sein, insbesondere wenn es zu Veränderungen, wie z.B. Freistellungen, gekommen ist.

Gefahrenpotential
An bedrängten Standorten, mit hoher Konkurrenz um das Licht, können Druckzwiesel durchaus eine standortgerechte Gestaltanpassung sein. Im Falle einer Freistellung kann ein Druckzwiesel dann zur „Fehlkonstruktion“ werden.
Zwiesel können u.a. reißen, wenn die tangentialen Zugkräfte im Verzeigungsbereich durch die Hebelwirkung der Teilstämme, Stämmlinge und Äste an den Kontaktflächen ansteigen, durch Starkwindereignisse (Überbelastung) und auch durch zunehmende Holzersetzung im Verzeigungsbereich, wenn es zuvor eine Rissbildung gab. Spätestens wenn mehr oder weniger langgestreckte Risse den bevorstehenden Bruch ankündigen besteht v.a. im verkehrsexponierten Bereich dringender Handlungsbedarf, wobei im Einzelnen zu prüfen ist, ob und welche Sicherungsmaßnahmen im jeweiligen Einzelfall geboten sind.

Ökologie
Wenn es zu einem Anriss oder Abriss gekommen ist, können holzzersetzende Pilze eindringen und es kann es z.B. durch einsickerndes Niederschlagswasser an den vermorschenden Kontaktflächen nicht selten zum Einwachsen von Wurzeln kommen. Zwiesel bieten durch ihr potentielles langjähriges Bestehen mit zum Teil fortgeschrittenem Holzabbau sowohl Eintrittspforten für auf lebendes Gewebe angewiesene Pilzarten, als auch für reine Saprophyten. Durch die andauernde Verletzung von lebendem Gewebe treten regelmäßig Saftflüsse als Speziallebensraum einer eigens angepassten Insektenfauna auf. Das Ausmaß der statischen und physiologischen Schwächung ist nach dem Abriss meist sehr groß. Daher brechen Restbäume in der Regel schnell zusammen bzw. sterben ab. Somit ist auch die Bildung von Höhlen eher selten bzw. auf kleinflächigere Verletzungen z.B. durch den Abriss zwieseliger Äste bzw. schwächerer Stämmlinge beschränkt. Das Artenspektrum von Pilzen und Insekten weist starke Überschneidungen mit dem der umfangreichen Holzzersetzung im Stamm auf.
 

In solchen Strukturen leben zahlreiche seltene und gefährdete Holzinsektenarten, wie z. B. die hier aufgeführten:

 Zeichnung W. Roloff

  • Zwiesel mit eingeleiteter Rissbildung und mit Saftfluss durch kontinuierliche Verletzung von lebendem Gewebe bzw. von aktiven Transportbahnen in Bast und Splint. © N. A. Klöhn
  • Vollzogener sehr ausgedehnter Zwieselabriss mit einer typisch ausgeprägten, großflächigen Freilegung des Holzkörpers - hier schon mit fortgeschrittner Fäule. Am oberen Punkt des Bruches ist die beidseitig ausgeprägte Bildung ohren- bzw. flügelförmiger Strukturen deutlich zu erkennen. © N. A. Klöhn
  • Jüngerer Zwieselausbruch mit freigelegtem Frischholz - größere Fäuleausdehnung zu erwarten. © N. A. Klöhn